Fakten, Zahlen, Zusammenhänge

Inhalt:

  1. Teil: Attraktivierung des jeweils effizientesten Verkehrsmittels belebt die Wirtschaft
    1. Intervall, Gefäßgröße und Verkehrsanteil
    2. Der große Unterschied zur Normalspurstrecke nach Bruck
    3. Unzmarkt – Tamsweg mit 66,5 km/h Reiseschnitt ohne Streckenbegradigung
    4. Ein unseriöses Positionspapier der Landesbahndirektion
    5. Hybridantrieb mit Doppelschichtkondensator als Speicher
    6. Schätzung und Gegenüberstellung von Investitionsaufwand und Effekt
    7. Resümee

 

1. Attraktivierung des jeweils effizientesten Verkehrsmittels belebt die Wirtschaft

90 Prozent des Personenverkehrs läuft im Bezirk Murau per PKW 10. Beschaffung und Betrieb kosten jährlich über 90 Millionen Euro Kaufkraft. Das ist ein Fünftel der regionalen Wirtschaftsleistung 11.

Raumordnung (= Verkehrsvermeidung) und attraktive „Öffis“ (= Verkehrsverlagerung) können diesen Verlust halbieren. Zwei von drei Bedingungen dafür sind ja erfüllt: Erstens ballt sich in weiten Teilen des Bezirks die Besiedlung in meist schmalen Talsohlen. Zweitens macht auch die Haltestellendichte das Netz gut erreichbar. Doch drittens schließen sich „Öffis“ mangels Taktdichte selber von breiten Marktsegmenten aus. Tabelle 3 vergleicht „Öffi“-Angebot und Verkehrsmarkt. Dieser ist aus der Dichte des motorisierten Individualverkehrs ablesbar. Der angeführte Wert ist der Tagesdurchschnitt vom Streckendurchschnitt Scheifling – Predlitz. Im Streckenverlauf schwankt er um den Faktor 2 bzw. 0,5, im Tagesverlauf um jeweils fast einen Stellenwert.

Tab.3
Intervall Reiseschnitt mittlere Besetzung Energie ab Zapfsäule Verkehrsanteil
Motorisierer.Individualverkehr 0,5 Min. 70 km/h 1,2 Personen 2100 kJ/Pers.km 88%
Öffentlicher Linienverkehr 120 Min. 40 km/h 45 Personen (Zug) 550 kJ/Pers.km 8%

Die Intervalle differieren um den Faktor 240. Das ist das Problem – nicht die unterstellte Langsamkeit.

1.1. Intervall, Gefäßgröße und Verkehrsanteil

Ein Drittel der Bevölkerung des Bezirks lebt im Murtal, je ein weiteres in den nördlichen Seitentälern bzw. im Raum St.Lambrecht – Neumarkt – Mühlen. Gute „Öffi“-Erschließung dieser Räume ist ohne prompte Bahnanschlüsse der Busse in und aus beiden Richtungen nicht möglich. Sie ist also auf dichte Zugfolge angewiesen. Andererseits braucht auch die Bahn die Zubringerbusse zur Auslastung jener Taktdichte, ohne die sie selbst im Murtal am Markt vorbeiwirtschaftet. Ferner verbessern diese Busse auch innerorts die Erreichbarkeit der Bahn. Und logischerweise erfordern kurze Intervalle kleine, kostengünstig einsetzbare Fahrzeuge.

Dieseltriebwagen + Steuerwagen
Murtalbahn derzeit:
dieselelektrischer Triebwagen +
antriebsloser Steuerwagen, 4 kW/t
Normalspurschnellbahn
Normalspur-S-Bahn,
12 kW/t
Schmallspurschnellbahn der NÖVOG
Schmalspur-S-Bahn
der NÖVOG
14 kW/t
Hybridtriebwagen
Hybridtriebwagen, konzipiert für Vollkostendeckung bei durch=
schnittlich 15 Fahrgästen und entsprechender Taktverdichtung
Dauerleistung 10 kW/t, Anfahrleistung 45 kW/t
Tab.4
Auswertung der Szenarien (im Murtal) Intervall Haltestel-lenabstand mittlere Besetzung Energie (MJ) pro Verkehrsanteil (12) Abgasbilanz: inklusive PKW
Halt Pers.km
2 Elektr.Normalspur-S-Bahn 120 Min. 23 km 20 Pers. 15 0,55 4 % + 6 %
3 Elektr.Schmalsur-S-Bahn 60 Min. 1,95 km 30 Pers. 6,6 0,27 13% -5 %
4 Hybridtriebwagen 15 Min. 1,79 km 15 Pers. 4 0,28 30 % – 20 %

Das schlechte Ergebnis der Normalspur-S-Bahn hat zwei Ursachen: Erstens führt die angepeilte Fahrzeitkürzung schwerer Züge zum Auflassen fast aller Zwischenhalte. Zweitens heißt Normalspur zwangsläufig Gabelung der Zugläufe in Unzmarkt. Heute bieten 70 Prozent aller Züge aus Bruck in Unzmarkt Anschluss nach Murau, dann hingegen nur noch jeder zweite. Die Tendenz, von Murau nach Unzmarkt zum Zug per Auto zu fahren, würde durch Normalspur also verstärkt statt eingedämmt.

Auch die Gelder für Elektrifizierung wären effizienter zur Adaptierung der Strecke für Viertelstundentakt genutzt: Verkehrsverlagerung durch striktes Attraktivieren der Bahn spart vielmehr Energie als der Fahrdraht.

Ferner wäre es unklug, die Gefäßgröße einem einzigen morgentlichen Kurs anzupassen. Entlastungsbusse sind ökonomisch und ökologisch besser als finanziell und fahrdynamisch mitzuschleppende Überkapazität.

Und letztlich sind 30 bis 60 Jahre Nutzungsdauer für Schienenfahrzeuge üblich. Autonomes Fahren ist also in die Entscheidung einzubinden. Für die dann neue Chance, durch weitere Taktverdichtung weitere Verkehrsanteile zu gewinnen, wären Einheiten nach Szenario 2 und 3 viel zu groß.

1.2. Der große Unterschied zur Normalspurstrecke nach Bruck

Mangels Transit muss die Murtalbahn ihre Auslastung am regionalen Verkehrsmarkt aquirieren. Der verteilbare Kuchen folgt der Einwohnerzahl. Diese ist entlang der ÖBB-Strecke so groß, dass Regionalzüge dort vom leicht bedienbaren, aber kleinen Mittelstreckensegment „leben“ können. Da reicht Stundentakt. Die Murtalbahn aber kann es sich nicht leisten, weiter am größten Segment ihres kleinen Marktes vorbeizuwirtschaften. Das ist die alltägliche Kurzstreckenmobilität. Und die braucht den Viertelstundentakt.

Je kleiner der Markt, umso größer muss der Verkehrsanteil der „Öffis“ sein, damit sie effizient und möglichst kostendeckend arbeiten können. Die topografisch gegebene Siedlungsstruktur unterstützt das.

1.3. Unzmarkt – Tamsweg mit 66,5 km/h Reiseschnitt ohne Streckenbegradigung

Etwa 80 Prozent der Zuglaufkosten sind zeitabhängig. Bei vertretbarer Fuhrparkgröße verlangt die unerlässliche Taktdichte raschen Umlauf. Der ergibt sich teils durch Entfall unproduktiver Stehzeiten in den Endstellen, vor allem aber aus jenem Beschleunigungspotential, das ohne Mehraufwand kurzfristig umsetzbar ist:

Tab.5
Fahrzeit Unzmarkt-Tamsweg derzeit 96 Min. Maßnahmen:
kürzere Aufenthalte -16 Min breite, barrierefreie Einstiege + automatengestütztes Tarifsystem statt Kassa beim Wagenführer
signalabhängige Weichenverriegelung -6 Min. vorhandenen Kabelkanal nutzen
mehr Antriebsleistung je Tonne -11 Min. Hybridantrieb
höhere Fahrgeschwindigkeit -5 Min Pos. 4 + zeitgemäße Sicherungstechnik
erzielbare Fahrzeit Unzmarkt–Tamsweg 58 Min. nur Pos. 2, 3, 4 und 5

Pausen beruhen auf regelmäßiger Ablöse. Die teuren Fahrzeuge hingegen werden kontinuierlich genutzt.

1.4. Ein unseriöses Positionspapier 13 der Landesbahndirektion …

… verheißt von Judenburg nach Murau statt derzeit 51 Minuten (fälschlicherweise wurden 58 Minuten angegeben) 34 Minuten Reisezeit. Es verschweigt aber, dass dafür 75 Prozent der Zwischenhalte entfallen. Ferner wird der durch Barrierefreiheit beschleunigte Fahrgastwechsel bei neuen Dieseltriebwagen ignoriert, bei den beiden Elektrovarianten aber berücksichtigt. Gleiches gilt für die Zeitersparnis durch Reform des anachronistischen Tarifsystems (siehe Tab. 5 Zeile 2). Und letztlich weckt die Dieselvariante den Eindruck, die Entwicklung der Antriebstechnik sei nach der Ära Mayr spurlos an der Landesbahndirektion vorbeigegangen. Das Eisenbahnwesen ist eben vielschichtig. Und Führungskräfte, die es recht gut verstehen, innerhalb eines vorgegebenen Systems durch schlanke Betriebsstrukturen so manche Marktlücke im großen Bahnnetz zu nutzen, müssen nicht zwangsläufig auch Experten sein, wenn es gilt, verkehrstechnische Vorgaben so zu gestalten, dass sie den speziellen Bedürfnissen einer kleinen Region entsprechen.

1.5. Hybridantrieb mit Doppelschichtkondensator als Speicher

Letzterer ermöglicht Nutzbremsung und optimale Beschleunigung. Er ist leistungsstark, wartungsfrei, extrem langlebig und längst bewährter Stand der Technik. Mangels Energiedichte ist er aber für den, an Reichweite orientierten PKW-Betrieb ungeeignet, und daher sichtlich weniger bekannt. Ferner sind Alternativen zur Fahrstromerzeugung aus fossilem Brennstoff auf Verlässlichkeit und betriebswirtschaftliche Vorteile zu prüfen.

1.6. Schätzung und Gegenüberstellung von Investitionsaufwand und Effekt

Gemessen an der Tatsache, dass 80 Jahre lang fast ausschließlich in den Ausbau des bahnparallelen Straßenverkehrs investiert wurde, sind die akut anfallenden Kosten moderat. Ein verkehrswirtschaftlich richtungsweisendes Konzept kann mit erhöhten Chancen auf externe Förderungen rechnen.

Tab.6
Fuhrpark Mio. Euro in ortsfeste Anlagen Gesamtaufwand Mio. Euro Durchschnittsauslastung je Zug
Bedarf km je Stück u.Tag Preis Mio. Euro Werkstätte Gleise + Zug-sicherung Elektrifizierung erforderlichz. Kostendeckung: Bruttoerlös je Personen.km = 0,12 Euro 14 erzielbar durch Fahr-plandichte 12
Um-lauf Be-stand
2 scheidet wegenschlechter Ergebnisse in Tabelle 5 aus weiteren Erwägungen aus
3 3 Stk 5 Stk 410 km 25 2 3 40 70 44 Fahrgäste 30 Fahrg.
4 8 Stk 10 Stk 990 km 28 1 45 74 15 Fahrgäste 15 Fahrg.

Szenario 3 verspricht dauernden Zuschussbedarf, Szenario 4 Vollkostendeckung nach der Einführungsphase. Infrastrukturinvestitionen wurden als ansatzweiser Ausgleich bisheriger Versäumnisse nicht in die Vollkosten eingerechnet.

1.7. Resümee

Die in besagtem Landesbahnpapier erstellten Vergleiche verstoßen mehrfach gegen die „Ceteris-paribus-Bedingung“, eine Grundlage wissenschaftlicher Arbeit. So disqualifizieren sich die Autoren in dieser Sache selbst. Unter diesen Gegebenheiten war eine Exkursion in die Schweiz ein erster seriöser Ansatz. Dort konnten die Teilnehmer selbst sehen, dass zukunftsorientierter Bahnbetrieb keine Frage der Spurweite ist.
Es besteht also gleichermaßen Bedarf wie Hoffnung, dass Anregungen, die von Sachkenntnis getragen und nachvollziehbar dargelegt sind, den Entscheidungsprozess bereichern.


Quellen und Grundlagen:

9. Hans-Dieter Klammer, Leserbrief an „Kleine Zeitung“ 4. 6. 201410. 18000 PKWs; 15500 km/PKW Jahr; Vollkosten je PKW-Kilometer = 0,42 Euro; regionale Wertschöpfung = 20 Prozent

11. Regio-Data-Studie in: Heute, 24. 8. 2016, S. 5

12. Berechnung nach: Breimeier Rudolf: Der Einfluss des Faktors „Zeit“ auf den Personenverkehr der Eisenbahn, in: ETR 34 (1985) H.10-Okt. S. 747ff

13. Steiermärkische Landesbahnen, Murtalbahn Zukunftsperspektiven Stand 11/2014, S. 14 ff

14. Stundensätze: Triebfahrzeugführer: 38 Euro, Zugleiter: 48 Euro; Fahrzeugabschreibung: 4 % p.a.; Infrastrukturerhaltung:1 Mio. Euro p.a.

Der Verfasser: geb.: 1953; AHS-Abschluss: 1971; HTL-Abschluss: 1974; Lokführerprüfungen für zwei Traktionsarten: 1975/76; Busführerschein: 1976; Patent auf Verbesserungen am Autorückspiegel: 1988; … befasst sich seit Jahrzehnten mit Verkehrswirtschaft/Verkehrstechnik

Kompaktfassung

Bezirk Murau derzeit: 90 Prozent des Personenverkehrsaufkommens entfallen auf PKWs. Deren Kauf und Betrieb verschlingt ein Fünftel der Wirtschaftsleistung.

Abhilfe: Marktorientierte „Öffis“ heben ihren Verkehrsanteil von derzeit etwa sechs auf mindestens 20 Prozent (im Murtal von etwa acht auf bis zu 30 Prozent). Vollkostendeckung ist ab etwa 25 Prozent zu erwarten. Spätestens da beginnt der Spielraum für attraktivere Tarife.

Konkrete Erfordernisse sind:

  • 15-Minuten-Takt
    Mangels Transit ist die Murtalbahn auf den regionalen Verkehrsmarkt angewiesen. Da dieser klein ist, muss primär dessen größtes Segment erschlossen werden. Das ist die alltägliche Kurzstreckenmobilität. Und die verlangt dichte Bedienung. Der Zugkilometer muss daher so kostengünstig produziert werden, dass sich der unerlässliche 15-Minuten-Takt rechnet. Die Vollkosten des Viertelstundentakts mit kleinen Solotriebwagen liegen nur ein Drittel über jenen des Einstundentakts mit dreiteiligen Einheiten. Die zu erwartenden Verkehrserträge sind doppelt so hoch (Fakten, Zahlen, Zusammenhänge, Kapitel 1. 6., Tabelle 6).

  • Anbindung der wichtigen Seitentäler
    Nur ein Drittel der Bevölkerung des Bezirks lebt im Murtal. Die Busse in die Seitentäler können nur dann einigermaßen wirtschaftlich geführt werden, wenn sie prompte Bahnanschlüsse in und aus beiden Richtungen haben. Das wiederum verlangt dichte Zugfolge.

  • Fahrzeitverkürzung Unzmarkt – Tamsweg von derzeit 95 auf 58 Minuten Vier Fünftel der Zuglaufkosten sind zeitabhängig. Hohe Umlaufgeschwindigkeit ist also nötig, um mit vertretbarem Aufwand die nötige Fahrplandichte zu erzielen. Dennoch sind vorerst keine teuren Streckenbegradigungen erforderlich. Das bisher nicht genutzte Beschleunigungspotential reicht, um mit moderatem Aufwand den Reiseschnitt von derzeit 40,4 auf 66,5 km/h anzuheben („Gespräch in der Murtalbahn“, Tabelle 1 und „Fakten, Zahlen, Zusammenhänge“, Kapitel 1.3., Tabelle 5).

  • Berufspendlerinnen und Berufspendler …
    sind planerisch gut erfassbar und tendieren meist zur Nutzung marktgerechter „Öffis“. Dieses Marktsegment kann eine mitunter jahrzehntelang unterbrochene Kundenbindung wiederbeleben. Es darf nicht weiter vernachlässigt werden.

    • Abendverbindungen …
      sind ständig von kurzsichtiger „Rationalisierung“ bedroht, da ihre direkt feststellbare Auslastung mitunter nicht einmal die Grenzkosten deckt. Diese auf konkret zählbaren Nasenspitzen aufgebaute „Evaluation“ verkennt, dass bloß vorhandene Abendverbindungen auch dann die Verkehrsmittelwahl beeinflussen, wenn statt ihnen normalerweise ein früherer Kurs benutzt wird. Fahrgäste erwarten die Gewissheit, auch dann noch nach Hause zu kommen, wenn´s einmal später wird.

      Eine bescheidene Grundauslastung der Tagesrandverbindungen lässt sich durch überregionale Anschlüsse sichern. Denn das grundsätzlich kleine Mittel- und Fernstreckensegment bleibt vom frühen Morgen bis in den späten Abend annähernd konstant. In Unzmarkt bestehen solche Fernanschlüsse – in Tamsweg de facto nicht.

    • Busshuttle Tamsweg – Werfen Seit 45 Jahren besteht die Tauernautobahn. Seit 45 Jahren wird sie nicht für das dringend nötige Busshuttle zwischen den Anschlüssen im Lungau und jenen im Pongau genutzt. Der hohe Reiseschnitt über die Autobahn erlaubt günstige Kilometersätze. Mit zwei Bussen kann also ein Stundentakt Tamsweg – Werfen geboten werden, der beiderseits prompte Anschlüsse und keine teuren Stehzeiten hat. Die Fahrzeit Tamsweg – Salzburg liegt dabei nur unwesentlich über jener des PKWs. Das Einzugsgebiet der Achse Unzmarkt – Tamsweg – Werfen – Salzburg reicht zumindest bis Zeltweg bzw. St. Veit/Glan.
    • Keine teuren Protzprojekte
      Keine Normalspur
      :
      Eine 120 Tonnen schwere Einheit kann im ländlichen Raum weder zeitlich noch örtlich jene Bedienungsdichte bieten, die den Anforderungen der alltäglichen Kurzstreckenmobilität entspricht („Fakten, Zahlen, Zusammenhänge“ Kap.1.1.) .

      Keine Elektrifizierung:
      Diese
      wäre im Personenverkehr ökonomisch und ökologisch kontraproduktiv: Mit zwei Prozent Energieverbrauch für acht Prozent Verkehrsleistung ist die Bahn ja schon jetzt Energiesparmeister (Fakten, Zahlen, Zusammenhänge, Tabelle 3). Die hier vorgeschlagenen Dieselhybridtriebwagen würden den spezifischen Energieverbrauch weiter halbieren (Fakten, Zahlen, Zusammenhänge, Tabelle 5). Elektrifizierung würde also bei marginalem Effekt jene Investitionsmittel binden, die zur Adaptierung der Strecke für Viertelstundentakt erforderlich sind. Schließlich kann die Murtalbahn nur durch massive Steigerung ihres Verkehrsanteils zur Entlastung beitragen.
      Und binnen längsten fünf Jahren können die Dieselaggregate der Hybridtriebwagen durch Brennstoffzellen ersetzt werden. Dann fährt die Murtalbahn vollökologisch, ohne 40 Millionen Euro für Elektrifizierung in den Sand gesetzt zu haben.

    Resümee

    Kreise, die noch vor wenigen Jahren auf Stilllegung der Murtalbahn hingearbeitet haben, präsentieren sich jetzt – sachlich völlig unvorbereitet – als Trittbrettfahrer verkehrswirtschaftlicher Vernunft. Dementsprechend problematisch, ja sogar kontraproduktiv fallen ihre Forderungen aus.

    Dieselben Kreise preisen sich als Förderer des ländlichen Lebensraums und der Wirtschaft an, sitzen seit Jahrzehnten an entscheidenden Stellen und haben es dennoch nicht verstanden, den Bezirk Murau zu einer florierenden Region zu machen. Sie haben nicht einmal erkannt, dass ihre eigene, verfehlte Verkehrspolitik eine Hauptursache für Wirtschaftsschwäche, Abwanderung, Zersiedelung und funktionslose Ortskerne ist. Sie haben bis jetzt nichts dazugelernt (Gespräch in der Murtalbahn, Anmerkung 3).

    Gespräch in der Murtalbahn

    Mitwirkende: Ein Vater, sein etwa zwölfjähriger Sohn und die „Kleine Zeitung“ (1).

    Sohn: Du Papa, die Murtalbahn hat ja moderne Betonschwellen und ganz starke Schienen. Stimmt es, dass manche Politiker jetzt alles kaputt machen wollen? Ist das nicht dumm (2)?

    Vater: Das ist raffiniert. Es bringt wenigen viel Geld und irgendwo anders ein paar Arbeitsplätze.

    Sohn: Der Opa sagt, schon der Göring hätte versprochen, dass durch Normalspur ralles besser wird. Die Schmalspur ist ja an allem, was die Wirtschaftspolitik verpfuscht, schuld. So ein Sündenbock verleitet ja wirklich zu Fahrlässigkeit, Fehlleistungen (3) und Freunderlwirtschaft (4).

    Vater (schaut sich erschrocken um): Kusch, so was sagt man nicht. Wir leben heute in einem Land, wo alles mit rechten Dingen zugeht, und nicht in irgendeiner Bonzokratie. Außerdem wollte der Göring die Bahn vom Pongau aus bauen. Der Anschluss nach Deutschland – auch per Bahn! Da wären genug Züge gefahren, dass sich der Betrieb lohnt.

    Sohn: Wären die auch bei uns stehen geblieben?

    Vater: Natürlich nicht. Die Nazis wollten ja nur durchfahren. Unsere Region ist doch allen wurscht.

    Sohn: Schade.

    Vater: Wir kriegen jetzt eh eine Schnellbahn. Der „Murdackel“ ist ja so langsam!

    Sohn: Aber die Physiklehrerin hat uns vorgerechnet, dass die Umspurung Unzmarkt -Muraunicht einmal eine Minute bringt (5).

    Vater: Blödsinn – die hat sich verrechnet.

    Sohn: Gestern im Auto hab ich die Zeit Unzmarkt – Murau gestoppt: genau 26 Minuten. Der Zug fährt 36 Minuten und hat zehn Haltestellen. Aber die käufliche „Kleine“ schreibt immer, die Spurweite bremse die Murtalbahn (6). Wenn alle nachplappern, was in der Zeitung steht, ist das schwarze Magie?

    Vater: So kann man´s auch nennen. Die ehrenwerte Gesellschaft ist schon verdammt verfilzt. Und wie die die Leut´ manipulieren, grenzt ans Braune. Aber schneller ist die Normalspur doch. Die fährt ja überall durch (7).

    Sohn: Und wer soll damit fahren, wenn man nirgends einsteigen kann?

    Vater: Na, die Schifahrer zum Kreischberg halt und die Snowborder und die Schibobfahrer und die … Jagateetrinker im Winter und … die …… Experten werden wohl wissen, was sie tun.

    Sohn: Aber Papa, ist es wirtschaftlich, wenn man so „in die Bahn“ investiert, dass dann ja niemand mehr damit fahren kann?

    Vater: Ich hab´ eh schon gesagt, da stehen die Wirtschaftskammerexperten dahinter, moderne Schildbürger halt. Im Physikunterricht haben´s wohl Karten g´spielt, und heut´ halten´s den Hausverstand für a Eigenmarke von Billa (8).

    Sohn: Wirtschaftskammerexperten also. Verstehen die auch was von Wirtschaft?

    Vater: Ob die was von Wirtschaft verstehen, weiß niemand. Und was sie unter Wirtschaft verstehen, werd´ ich dir hier, wo ´s alle hören, nicht sagen. Aber Geschäfte machen, das können´s!

    Sohn: Welche Geschäfte denn?

    Vater: Darüber spricht man nicht.


    Anmerkungen zu: „Gespräch in der Murtalbahn“

    1. Die „Kleinen Zeitung“ propagiert am 3. 6. 2014 unkritisch die Umspurungsphantasien der Wirtschafts-kammer. Darauf wird sie prompt auf zahlreiche Unstimmigkeiten hingewiesen 9. Sie setzt ihre Kampagne am 9. 5. 2017 also gegen besseres Wissen fort – angestachelt aus ÖVP-Kreisen. Mit themenfremder, suggestiver Bildwahl täuscht sie in evident geschäftsschädigender Weise vor, die Murtalbahn betreibe den regulären Personenverkehr mit langsamen Nostalgiezügen. Das ist unwahr: Erstens prägen pünktliche Triebwagenverbindungen mit prompten Fernanschlüssen den Betrieb. Auf Nostalgiefahrten entfällt nur ein Prozent aller Zugkilometer. Zweitens sind regulärer Verkehr und Nostalgiebetrieb strikt getrennt. Drittens entspricht der Reiseschnitt der Triebwagen dem eines Überlandlinienbusses. Und letztlich liegt das entscheidende Manko trotz aller Polemik nicht an der Geschwindigkeit (siehe Anmerkung 6).

    2. Heute haben 80 Prozent der Strecke durchgehend verschweißtes Gleis. Das minimiert den Erhaltungs-aufwand und erlaubt hauptbahnähnliche Geschwindigkeiten – aber nur mit zeitgemäßer Sicherungstechnik.

    3. Der Gewerbepark Murau soll laut Gemeinderatsbeschluss unter Bgmst. Thomas Kalcher (ÖVP) weit abseits des Siedlungsraums liegen – unerreichbar per Bahn und mit den von Murau ausgehenden Buslinien.

    4. Zur Talstation Kreischberg sind es von der, eigens errichteten, gleichnamigen Bahnhaltestelle etwa 400 Meter. Die Lücke hätte im wirtschaftsfreundlichen steirischen Klima leicht durch Verlegen der Strecke geschlossen werden können. Doch die lokalen Tourismusmanager haben die Bahn als idealen Zubringer zu spät entdeckt. Jetzt ist das Areal mit Ferienwohnblocks verbaut. Da kann nur noch ein stumpf vor der Tal-station endendes Gleis eingefügt werden. Was liegt somit näher, als der dreiste Versuch, das regionale „Öffi“-System zugunsten der Partikularinteressen eines politisch gut vernetzten Saisonbetriebs zuzerschlagen?

    5. Mittelwert der fahrdynamisch möglichen Höchstgeschwindigkeit bei 1 m/s2 freier Seitenbeschleunigung

    Tab.1
    Unveränderte Trasse Schmalspur: Überhöhung = 60 mm Normalspur: Überhöhung = 180 mm
    Radius (m) Anteil (%) km/h km/h x % km/h km/h x %
    90 0,52 45 0,23 50 0,26
    150 3,80 55 2,09 65 2,47
    180 4,24 60 2,54 70 2,97
    200 13,04 65 8,48 75 9,78
    225 0,05 70 0,04 80 0,40
    250 0,55 75 0,41 85 0,47
    300 5,85 80 4,68 90 5,27
    325 0,43 85 0,37 95 0,41
    375 0,55 90 0,51 100 0,55
    400 4,80 95 4,56 105 5,04
    500 4,50 105 4,73 120 5,40
    600 2,15 115 2,47 (130) 120 2,58
    1000 2,55 (150) 120 3,06 (170) 120 3,06
    gerade 56,52 (unbegrenzt) 120 67,82 (unbegrenzt) 120 67,82
    Insgesamt 100,00 rechnerischer Mittelwert 101,99 rechnerischer Mittelwert 106,48
    realistischer Mittelwert d. Streckenhöchstgeschwindigkeiten 95 100

    6. Reisegeschwindigkeit verschiedener Bahnen:

    Tab.2
    Bahn Spurweite Streckengleise Traktion Haltestellenabstand Reiseschnitt
    Murtalbahn 760 mm 1 Diesel 1,95 km 40,4 km/h
    Zillertalbahn 760 mm 1 ( teilweise 2) Diesel 1,88 km 36,7 km/h
    S-Bahn Wien Stammstrecke 1435 mm 2 Elektro 1,56 km 33,6 km/h
    Bruck/M. – Unzmarkt Regionalzug 1435 mm 2 (St.Michael 1) Elektro 7,6 km 66,3 km/h
    REX 1435 mm 2 Elektro 8,4 km 76,4 km/h
    Railjet 1435 mm 2 Elektro 21 km 88,4 km/h

    Zwei wesentliche Kriterien unterscheiden die beiden aufgelisteten Schmalspurbahnen:

    Erstens ist die zehn Prozent langsamere Zillertalbahn dank Halbstundentakt viel attraktiver als die schnellere Murtalbahn. Letztere bietet zwar prompte, pünktliche Anschlüsse von und zu den zweistündig fahrenden Raijets. Doch das ist nur ein kleines Marktsegment. Für mehr reicht der vorhandene Fuhrpark nicht. Denn politisches Ziel der Modernisierung vor 35 Jahren war rasche Kostensenkung. Ertragssteigerung durch Fahrplanverdichtung wurde nicht angestrebt. Beispielsweise dauerte es ein Jahrzehnt, bis die neuen, von Anfang an klaglos funktionierenden Triebwagen angemessen genutzt wurden.
    Zweitens sind die Zillertaler Gemeinden Teilhaber ihrer Bahn. Dieses Gemeingut durch irreführende öffentliche Aussagen zu schädigen, wäre dort politischer Selbstmord.

    7. Siehe Kapitel: “Ein unseriöses Positionspapier der Landesbahndirektion …“

    8. Das „Ökonomische Prinzip“ ist wohl noch nicht zu den Wirtschaftskämmerern durchgedrungen. Und der Glaube, dass mit der Spurweite auch der Markt größer werde, erinnert an Voodoo.